Perfect Game: Der Schwierigkeitsgrad aus Forza


Es gibt kein perfektes Videospiel. Ein formvollendetes Spiel, welches alles leistet und dann auch noch immer Spaß macht, egal wie sich die Welt der Spiele weiterdreht, das gibt es nicht. Vielleicht sagst du jetzt "Doch!", aber ich vermute, dass es für dich ein perfektes Spiel gibt. Eines, das allen gefällt, das gibt es wohl nicht. Sonst hätte die Industrie ja irgendwann aufhören können Spiele zu produzieren.

Was in diesen Spielen, die wir für "perfekt" halten, macht dass sie uns so gut gefallen? Keine Ahnung. Aber was wäre denn, wenn wir uns in alle unsere normalen Spiele die Bauteile reinwünschen könnten, die unsere Lieblinge so gut machen? Keine Ahnung. Aber ich werde euch in der Reihe "Perfect Game" erzählen, welche Mechanismen aus meinen Lieblingen ich gerne in mehr Spielen sehen wollen würde.
Und dann könnt ihr in die Kommentare meckern, warum eure Lieblinge aber viel besser sind.

Vorwort: Was ist ein Mechanismus in einem Spiel?
Eine Maschine ([...] von griechisch μηχανή mechanē „Werkzeug, künstliche Vorrichtung, Mittel“) ist ein Gerät mit durch ein Antriebssystem bewegten Teilen. Maschinen werden als technische Arbeitsmittel vor allem für mechanische Einwirkung verwendet. In der Vergangenheit stand der Energie- und/oder Stofffluss im Vordergrund.
Quelle: Wikipedia.org

Tatsächlich ist das, auch wenn es nicht sofort den Eindruck macht, eine nützliche Definition um für uns vertiefend zu klären, was denn jetzt ein Mechanismus in einem Videospiel ist? Gerade die "bewegten Teile" sind für mich hier ganz entscheidend. Im Gegensatz zu den Inhalten, wie einer Geschichte, die bewegt werden müssen, bestimmen die Mechaniken in einem Spiel wie dies geschieht.

Im Gegensatz zu einer Maschine, ist ein Videospiel aber nicht von Produktivität geprägt. Stimmt nicht, aber die Produktivität hat hier ein anderes Ausmaß, als bei einer wirtschaftlichen Maschine. Ein Videospiel ist dann produktiv, wenn es unterhält und Spaß macht. Ein sehr subjektiver Wert, den der einschlägige Journalismus zwar mit Prozentwerten zu fassen versucht, aber trotzdem nicht definitiv bestimmen kann.
Um Elemente wie Geschichte, Spielspaß, Motivation, Lernkurve und weitere bekanntere und unbekanntere Bauelemente von Videospielen aber in Zusammenhang - Und damit auch in Bewegung zu bringen - braucht es die Mechaniken.
Und ähnlich wie es das Fordsche Fließband für die Industrie geleistet hat, könnten ja vielleicht auch Mechaniken aus Videospielen für andere Spiele eine wegweisende Weiterentwicklung bedeuten.

Teil 1: Der Schwierigkeitsgrad aus Forza Motorsport
Schwierigkeitsgrade in Videospielen haben einen ganz bestimmten Sinn: Sie sollen dafür sorgen, dass Spieler ganz unterschiedlicher Qualität die Chance bekommen, ein Spiel so herausfordern zu erfahren, wie sie selbst es sich wünschen. Das stimmt natürlich nur für freiwählbare Schwierigkeitsgrade. Einige Exemplare der Gattung Videospiel nutzen einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad (Die Souls-Reihe z.B.) ganz bewußt, um eine klar definierte Spielergruppe von Profis/besonders zerstörten Seelen anzusprechen, wiederum andere einen extrem niedrigen Schwierigkeitsgrad (Die neuerlichen Super Mario Titel) um eben ganz andere Spielergruppen (Ältere und Unerfahrende) zu erreichen.

Der Nachteil von Schwierigkeitsgrade ist aber, dass sie abstrakt sind. Selbst wenn sie erklärt werden. Was der Wechsel von "leicht" auf "normal" innerhalb der Programmiercodes bedeutet, weiß das Spiel sehr gut, was aber auf meiner Seite des Bildschirms sich verändert, bleibt oftmals schleierhaft. Aber auch eine Aufdeckung der Details - Die Gegner haben 50% mehr Lebensenergie; Der Torwart reagiert besser; es tauchen 10% weniger Ressourcen auf - bedeutet nicht unbedingt, dass ich verstehe, was diese Änderungen für mich bewirken. Das kann ich nur einschätzen, wenn mir das Spiel bekannt ist. Viele Titel helfen sich da mit einfachen Mitteln: Der Schwierigkeitsgrad kann jeder Zeit geändert werden.


Ein Problem verbleibt aber. Ein Problem, welches ich als "Die Stufe" bezeichne. Kennen gelernt habe ich sie, als ich mich weiter in die Tiefen von Fifa 14 begeben habe. Getroffen habe ich sie aber auch schon früher bei StreetFighter, auch Tekken und anderen Titeln. Die Stufe ist ein Problem, dass auch in einer Szene bei BigBangTheory sehr gut erfasst wird. Dort erklärt Sheldon, dass die Menschen stolpern, wenn eine Stufe schon nur 2 Millimeter höher ist, als gewohnt. Das ist ein abstrakt winziger Zahlenwert, reicht aber um der Gewohnheit zu widersprechen und fällt damit unangenehm auf. Wenn wir uns die verschiedenen Schwierigkeitsgrade von Videospielen also auch als Treppenhaus vorstellen, kann ich jetzt sagen, dass ich damals gestolpert bin.

Um mit Fifa - Ich war von der anderen Seite der Fussballmacht gewechselt - zu recht zu kommen, stieg ich auf einer niedrigen, ja sogar der niedrigsten Stufe in das Spiel ein. Schnell wurde es aber zu anspruchslos. Ich gewinne zwar gerne, aber es sollte schon noch ein spürbarer Widerstand im Spiel vorkommen. Online wurde ich zu brutal abserviert, als dass ich mich dort versuchen wollte, also steigerte ich den Schwierigkeitsgrad ein erstes Mal. Und kam gut zu Recht. Tatsächlich wirkten die gegnerischen Mannschaften besser organisiert, aber es fiel schon auf, dass ich auch mit dem VFL Bochum im Stande war, an einem guten Tag, den Real Madrid in die Knie zu zwingen. Für alle nicht Fussball-Kenner: David gegen zwei Goliaths mit geschütztem Auge. Für alle nicht Sagen-kenner: Eigentlich unmöglich.

 Also erhöhte ich in meinem Mut noch einmal den Schwierigkeitsgrad auf "Halb-Profi" und wurde zur Kasse gebeten. Deutlicher: Ich habe die Quittung bekommen. Selbst betrunkene Thekentruppen waren nicht mehr zu besiegen für mich. Irgendwo in der Umstellung des Schwierigkeitsgrades hatten sich Zwei Millimeter versteckt, die mich nicht nur zum Stolpern, sondern auch zum Stürzen brachten. Und da ich Gewinnen mag, überrollt werden aber nicht so sehr, bin ich dann wieder eine Stufe zurück gegangen. Hoch getraut habe ich mich dann lange nicht mehr.

"Die Stufe" ist mir oft begegnet, fast schon ständig. Sie ist aufdringlich und unangenehm. Jetzt mag manchen denken "Stufe" wäre für diese Erscheinung der falsche Begriff, aber ich möchte kurz andeuten, weshalb das nicht der Fall ist. Stufen sind der Endboss von unzähligen Rollstuhl-, Kinderwagen- und Rollator-FahrerInnen überall auf der Welt. Sie sind ein unüberwindbares Hindernis, welches aus eigener Kraft nicht zu lösen ist. Auch wenn bei Videospielen mehr als nur der Schwierigkeitsgrad geändert werden müsste, um Barrierefreiheit zu erreichen, ist der Schwierigkeitsgrad eine der markantesten Barrieren in manchen Spielen.

Eine Spielereihe, die in diesem Segment so vorbildlich ist, dass ich mir ihre Funktionen in allen Spielen wünschen würde, ist Forza Motorsport. In einem Rennspiel gibt es viele Faktoren, gerade wenn es Simulationsambitionen anmeldet, die ihre Schwierigkeiten mit sich bringen können. Wenn wir jetzt den Begriff der Barrierefreiheit wieder aufgreifen fällt aber eines ganz besonders auf: Viele verschiedene Spieler hätten/haben mit ganz verschiedenen Faktoren ihre Probleme.

Wo andere Spieler jetzt ganz rudimentäre Schwierigkeitsgrade anbieten, kommt Forza mit einem feingliedrigen und erklärtem System daher. So lässt sich zum Beispiel eine Ideallinie einblenden, die als Unterstützung dient und sogar Bremspunkte anzeigt. Auch die diversen Hilfssytem wie ABS oder Traktionskontrolle lassen sich ein- und ausschalten. Wer mag darf manuell schalten, aber wer nicht will, der muss auch nicht. Die Gegner lassen sich auch auf neun verschiedenen Niveaus einstellen und ob ein Wagen nur äußerlich oder auch tatsächlichen Schaden durch Kollisionen nimmt, lässt sich auch bestimmen. Besonders gut: Diese Einstellungen lassen sich unmittelbar vor jedem Rennen neu einstellen.


Das ist toll, jetzt haben wir einen individuellen Schwierigkeitsgrad, der übrigens wirklich dafür sorgt, dass sowohl meine unerfahrendere Freundin (Was ironisch ist, denn im echten Leben ist sie die Fahrerin) Spaß an Forza haben kann, als auch ich, aber das reicht ja wohl kaum, um ein perfekter Mechanismus für alle Videospiele zu sein. Richtig. Dazu fehlt noch eine klitzekleine Komponente, die Forza aber auch bietet. Damit eine Herausforderung auch motiviert muss es auch eine entsprechende Belohnung geben. Irgendwie erscheint es ja nicht fair, wenn ein Noob auf Kaffeefahrt und ein Pro im schweißgebadeten Deathrace die selben 1000 Credits und 500 Exp bekommen. Und daher bekommen sie die auch nicht.

Wer die Schwierigkeitseinstellungen in Forza so niedrig wie möglich einstellt, bekommt die regulären Belohnungen für die Rennen. So bald ich aber auch nur an einem kleinen Rädchen drehe und es mir kniffliger mache, steigen meine Belohnungen prozentual an. Das bedeutet für mich als erfahrenden Spieler aber nicht nur mehr Belohnung, sondern auch, dass mir weitere Teile vom Spiel früher zugänglich sind. Was ja auch passend ist, da der fortgeschrittenere Spieler auch viel früher mit der gesamten Breite des Spiels klar kommt. Das bedeutet aber auch, dass wenn mich mein langsamer Fortschritt stört, ich ermutigt werde hier und da mal zaghaft zu testen, ob ich nicht mit höheren Schwierigkeitsgraden klar komme. Wenn ich zwei Millimeter zu weit gegangen bin und stolpere, kann ich es ja sofort wieder zurück drehen und auf meiner Ebene weiter lernen.

Jetzt steht noch die gewagte These im Raum, dass dieser Mechanismus auch andere Spiele perfekt machen würde. Einen Beweis werde ich auch nicht antreten können. Aber seitdem ich für diese Reihe recherchiere, bemühe ich bei jedem Spiel, welches ich starte, die Frage, ob flexible präzise Schwierigkeitseinstellungen überhaupt realisierbar wären?

Ich sage ja. Bereitserwähntes Fifa zum Beispiel, könnte durchaus einzelne Optionen anbieten, die bestimmen wie stark gegnerische Torleute reagieren, wie klug die Abwehr spielt oder auch, ob eine optische Hilfe mir deutet, wo sich vielleicht günstige Passsituationen auftun. Da Fifa im Hintergrund ein Profil für den Spieler pflegt, in dem Erfahrungspunkte gesammelt werden, könnten da entsprechend anteilig die Punkte erhöht oder gesenkt werden. Die künstliche Unterstützung des Passspiels ist sogar schon abschaltbar, wird aber nicht belohnt, wenn sie abgeschaltet ist. (Wobei es manchmal so wirkt, als würde Fifa im unterstützten Passspiel extra schlecht helfen, damit sich die Profis stärker fühlen können.) Vergleichbares wäre ohne Probleme für andere Sportspiele denkbar. Golfspiel und alle Anzeigen abgeschaltet? Willkommen im Profi-Belohnungs-Himmel.

Auch in Rollenspielen wirkt so ein System für mich direkt plausibel. Wenn ich dafür, dass Rüstung sich abnutzen kann mehr Erfahrung bekomme, macht das Sinn. Wenn mich aber andersherum tiefenkomplizierte Charakterentwicklung mit möglichen Fehlentscheidungen überfordert, sollte es auch möglich sein, diese dem Computer zu überlassen und dafür gerne langsamer durchs Spiel zu kommen. Da wird dann vielleicht gleichförmiges grinden und farmen zur Strafe, aber andererseits ist das zusätzliche Kampferfahrung, die dabei hilft, wieder besser mit dem Spiel klar zu kommen.

Selbst in modernen Shootern passt es gut. Zielhilfe ein/aus; Punktvisier ein/aus; Gegnerintelligenz anpassbar. Und auch da gibt es inzwischen ja Klassen und Perks, die dann einfach denen früher zur Verfügung stehen, die besser spielen. Auch optische Ausrüstungen wie in Halo oder manchen Militärshootern dürften den "besseren" Spielern gerne schneller zur Verfügung stehen.

Ich werde jetzt nicht alle Spielarten durch rechnen, aber ich garantiere euch, ich würde es für alle Spielarten hinbekommen. Vielleicht ist nicht bei allen Spielen von Anfang an die Grundmaschinerie passend, dass diese Mechanik hinein passt, aber die Technologie ist vorhanden.

Ja, der Schwierigkeitsgrad aus Forza Motorsport gehört zum "Perfect Game".


Alle Bauteile fürs perfekte Spiel:

Kommentare

  1. Das wäre in der Tat etwas das mehr Spiele vertragen könnten, als nur die Rennspiele... Von denen kenne ich das schon aus meinen Anfängen der PC-Spiele... Ich weiß nicht mehr wie es hieß, echt lang her, aber das Formel 1 Spiel hatte damals schon diverse Einstellungen um so den Schwierigkeitsgrad und Realismus einzustellen. Nur die Sache mit den EXP gab es damals noch nicht.

    Und eigentlich ist es echt schade, das es teils nicht nur 2mm "Stufen" in den verschieden Schwierigkeitsgraden gibt, denn so Spiele ich auch oft im einfachsten Modus, damit ich mich nicht Tod ärgere. Ein Spiel muß für mich Unterhaltung bieten, Spaß machen und einen Schwierigkeitsgrad haben, der das nicht verdirbt. Also stimme ich Dir in dem Punkt schon mal zu! Her damit in zukünftigen Spielen! :)

    AntwortenLöschen
  2. Sehr gut beschrieben! Ich finde auch, dass Spiele sich einen variablen Schwierigkeitsgrad zulegen könnten, wie Forza das anbietet. Forza hat mir durch diese Möglichkeiten Rennspiele wieder viel näher gebracht.

    Bei deiner Erwähnung Rollenspielen / Shootern fällt mir auch die Einstellung bei Destiny ein, wo man das Level der Gegner pro Mission oder Raid hochstellen kann. Leider ist da nur bei besonderen täglichen oder wöchentlichen Events ein ansteigender Bonus je höherer Stufe eingebaut und nicht generell.

    Das Fifa Problem hatte ich auch. Da es nur einfach oder zu schwer gab, hat es mich nicht halten können. Da war der mittlere Schwierigkeitsgrad bei Pro Evo nach meinem Geschmack, also auch diese 2mm weniger, die Fifa zu viel hat.

    Leider verprellen Spiele ohne Schwierigkeitseinstellungen einige Spieler, weil es entweder zu "Casual" oder zu schwer ist.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: