Text & Video: Mach was wirklich zählt



Fertig werden
Leser!
Achtung!
Still gestanden!
Hauptgefreiter Nightwind meldet ein Publikum vollzählig angetreten.
Rührt euch!

Zwei Jahre war ich bei dir. Zwei Jahre habe ich das Barett getragen, das Gewehr G36, die Pistole P9, die Hundemarke, das Verbandspäckchen in der Hosentasche. Zwei Jahre habe ich mein Bett ordentlich gemacht, Vorgesetzte akurat gegrüßt, immer Meldung gemacht, die Flagge auf dem Ärmel getragen und bei jedem Hissen die Hymne gesungen. Ich war ein Soldat.

S.O.L.D.A.T.
Soll ohne langes Denken alles Töten.

Als wir in der fünften Klasse gefragt wurden, wer denn mal zur Bundeswehr will, meldeten sich alle Jungs. Bis auf einer. Ich wusste, dass ich mal Zivildienst machen würde.
Als wir in der dreizehnten Klassen gefragt wurden, wer denn Zivildienst machen wird, meldeten sich alle Jungs. Bis auf einer.

Es war ja nicht nur die Tatsache, dass mein Onkel und mein Cousin dort waren und auf mich nicht den Eindruck irrer Killer machten, es war auch die Tatsache, dass ich einen Brief schreiben musste, in dem ich erklären musste, weshalb ich nicht zur Bundeswehr kann. Es gab eine ethisch moralische Prüfung. Also prüfte ich mich.
Wenn mein Vaterland bedroht wird.....ist mir das egal.
Und wenn das System bedroht wird.....dann ist mir das egal.
Und wenn das Leben meiner Freunde und Familie bedroht werden.....

dann braucht es keine Bundeswehr, damit ich mir etwas in die Hand nehme und auf die Straße ziehe und mit dem Leben verteidige, was zu verteidigen ist. Und da braucht es nicht mal ein Freund sein, denn wann immer ich einen Menschen schutzlos sehe, werfe ich mich lieber in die Gewalt, als dass er sie erfahren muss. Nein, ich bin kein Pazifist. Mich hält es nicht, wenn einer auf die einschlägt, die mich umgeben. Mir kocht das Blut, wenn ich nur daran denke, welche schrecklichen Schmerzen Schutzlosen zugeführt werden, wenn der Krieg zu ihnen kommt. ICH WÜRDE TÖTEN, wenn es die Situation erfordert und

das war eine schreckliche Erkenntnis im Alter von Achtzehn Jahren.

"Nach der Schule liegt dir die Welt zu Füssen. Mach sie sicherer.", sagst du jetzt auf deinen Plakaten. So fühlt es sich nicht an. Wir haben in einem Land gelebt, in dem du einen Brief schreiben musstest, in dem du erklärst, warum du nicht töten willst. Als wäre das das Besondere, die Eigenschaft, die ein Mensch rechtfertigen muss. Ich will nicht töten- und es tut mir leid? Und jetzt macht ihr Werbung dafür, zu erlernen eine Waffe zu verwenden, um die Welt sicherer zu machen? So fühlt es sich nicht an.

"Grünzeug ist auch gesund für deine Karriere." sagst du jetzt auf deiner Website. Und dann sitzen, in irgendwelchen Mehrzweckhallen, Leute, die Schrauben zählen, in hohen Dienstgraden, weil deine Struktur sich hauptsächlich damit beschäftigt, sich selbst zu verwalten. Da stehen stillgelegte Panzer, an so genannten Herzschrittmachern, die wir laut Verträgen mit Bündnispartnern nicht aktiv betreiben dürfen und müssen geputzt und gepflegt werden, damit, wenn vorne im Einsatz einer kaputt geschossen wird, wir hinten einen neuen anschalten dürfen. Und die Könige dieses Schrottplatzes sind topausgebildete Leute, werden vielleicht wie Könige bezahlt, aber ein Schrottplatz ist es halt trotzdem.

"Was sind schon 1000 Freunde im Netz gegen einen Kameraden?", sagst du jetzt auf deinen Postkarten. Und das ist wahr. Kameradschaft, was als Wort im Volksmund immer noch mit Gewürzen versehen ist, die alles schwer nach Nazi schmecken lassen, die gibt es bei dir. Die Fertigkeit, bedingungslos jedem an seiner Seite zu helfen und zu vertrauen. Ohne auf seine Haut- oder Haarfarbe, seinen Namen, seine Zuwanderungsvorgeschichte, seine Heimatstadt, sein Geschlecht oder seine Sexualität zu schauen. Zwei Jahre war ich bei euch. Aber auch trotz all der Kameradschaft, werde ich nie darüber hinweg sehen können, dass es einer meiner Kameraden war, der mich beinahe erschossen hätte. Ich werde nie vergessen können, dass mehr Soldaten bei dir im Wachdienst aus Unvorsicht und Dummheit von ihren Kameraden erschossen werden, als von Terroristen an irgendeiner Front.

- Es gibt Menschen, die sich wundern, warum Disziplin und Rumgeschreie bei der Bundeswehr scheinbar so wichtig sind, die sich darüber aufregen, dass Menschen so nicht zu behandeln sind, aber wenn sich der Schuss löst und die Patrone wenige Meter vor deinem Gesicht langfliegt, dann -seien wir mal ehrlich - wünscht du dir nicht, dass der Ausbilder den Schützen feste umarmt und bittet in Zukunft ein wenig achtsamer zu sein. -

"Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst.", "Wahre Stärke findest du nicht zwischen zwei Hanteln.", "Krisenherde löscht du nicht mit abwarten und teetrinken." sagst du auf deinen Postkarten, Plakaten und deiner Website. Mach was wirklich zählt.de

Dies ist kein Werbespot für die Bundeswehr. Aber halt auch keiner dagegen. Es soll eine Orientierung sein. Karte und Kompass für die, die nicht wissen, in welche Richtung sie laufen sollen. Die zwischen tosender linker Brandung und tiefem braunen Sumpf Angst haben sich zu verlaufen.

Und dann als Orientierung im Dunkel die leuchtende Reklame sehen, die verspricht: "Wir wollen dich. Egal wer und wie du bist."

Die Bundeswehr macht dich nicht zum Mörder. Und sie macht dich auch nicht zum Helden. Sie ist nur ein Instrument in einem kindischen Spiel aller Staaten, die sich eine Armee halten, weil es die anderen auch tun. Sie ist ein guter Ort, denn sie akzeptiert dich wirklich, wie du bist, egal, wer du bist. Auch wenn du kein Pazifist bist und bereit wärst zu töten, wenn es die Situation erfordert. Sie ist ein guter Ort, wenn das für dich eine schreckliche Erkenntnis ist und du dich bei dem Gedanken nicht wohlfühlst. Sie ist besser als ihr Ruf, aber unwichtiger als ihre Werbung.

Denn Krisenherde löscht man mit Abwarten, Teetrinken, Kompromissen und Heilung. Und es muss keiner mehr gegen etwas sein, wenn wir uns sicherer werden, dass wir es nicht mehr brauchen und uns erinnern, das Feinde auch nur Menschen sind. Und wahre Stärke findest du wirklich nicht zwischen zwei Hanteln, sondern zwischen den Ohren und hinter den Rippen.

Mach was wirklich zählt.

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